WEICHE, FLENSBURG IST STOLZ AUF EUCH!

SC Weiche Flensburg 08 – Holstein Kiel 2:4 (1:2, 0:0, 0:0) n. V.

Am Ende war es wie immer, wenn Weiche in Pokalspielen auf Holstein Kiel trifft: Die Landeshauptstädter setzten sich durch. Im ersten Aufeinandertreffen auf Bundesebene konnte der SC Weiche Flensburg 08 den Applaus und die Anerkennung der 1.700 Zuschauer im ausverkauften Manfred-Werner-Stadion ernten, doch in der ersten Runde des DFB-Pokalwettbewerbs setzte sich am Ende der Favorit mit 4:2-Toren nach spektakulärer Verlängerung durch. Unsere Mannschaft zwang den Zweitligisten beinahe sogar ins Elfmeterschießen. Sie hatte im Doppeltorschützen Patrick Herrmann, der nur zwei Tage nach seiner Verpflichtung sein Debüt im Weiche-Trikot feiern konnte, den Spieler in ihren Reihen, um ein weiteres Fußball-Pokal-Märchen zu schreiben. Doch obwohl unsere Mannschaft am Sonnabendnachmittag bei bestem Fußballwetter einen großartigen Kampf und tolle Moral als David gegen den schier übermächtigen Goliath zeigte, jubelten nach dem Schlusspfiff die 240 Anhänger aus Kiel. Holstein erreicht damit unter den Augen von Landesvater Daniel Günther und der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange die Runde der letzten 32 Vereine im nationalen Pokalwettbewerb. SC-Trainer Thomas Seeliger beschrieb nach den packenden 120 Minuten seine Gefühlslage: „Es ist einerseits so traurig, auf diese Weise ausgeschieden zu sein, und andererseits bin ich stolz auf die Mannschaft, die zweimal Rückschläge in sensationeller Manier weggesteckt hat.“

Unsere Mannschaft begann im 4-1-4-1-System, in dem sich mit dem erst vor zwei Tagen verpflichteten Patrick Herrmann und dem Ex-Elversberger Torben Rehfeldt auch zwei Neuzugänge wiederfanden, die im Übrigen wie drei weitere Weiche-Akteure aus der Startelf eine Holstein-Vergangenheit haben. Nach Verletzungen standen Trainer Thomas Seeliger sechs Spieler nicht zur Verfügung: Raphael Straub (Handverletzung), Bjarne Schleemann (Knieverletzung), Finn Wirlmann (Leiste), Ilidio Pastor Santos, Nico Empen (beide Bänderverletzungen) und Nils Jungehülsing (nach überstandener Zerrung). So wurde der 20er Spieltagskader mit Tim Wulff aus der U 23 aufgestockt. Der 34-Jährige wurde dann auch in der Verlängerung zu seinem Comeback eingewechselt. Auf der Bank blieben Torhüter Casper Mols sowie die Abwehrspieler Nahne Paulsen, Johannes Siregar und Brian Jungjohann.

Die Partie nahm schnell die erwartbaren Konturen an. Kiel hatte den Ball und verlagerte das Geschehen in die Flensburger Hälfte, während Weiche versuchte, aufmerksam zu verteidigen, dazu die Räume vor dem eigenen Strafraum eng zu halten. Und gerade Letzteres gelang unserer Mannschaft hervorragend, sodass KSV-Trainer Ole Werner frühzeitig von draußen zu dirigieren versuchte und mehr Tempo sowie Ideen forderte, um „zwischen die Linien“ zu kommen. Den ersten Abschluss hatte indes Weiche zu verzeichnen, doch Noel Kurzbach verzog deutlich (4.). Neuzugang Patrick Herrmann köpfte den ersten Kieler Eckstoß im Tiefflug aus dem Strafraum (16.). Und dann kam die ersten Gäste-Chance, als Fin Bartels von halbrechts verzog (21.). Als diese Phase überstanden war, traute sich Weiche mehr zu. Kapitän Torge Paetow setzte das Zeichen, als er auf der linken Seite mutig mehrmals in den Zweikampf ging und zur Flanke kam (23.). Dominic Hartmann setzte einen Abschluss über den Kasten (26.), und als Kevin Schulz in die Spitze verlängerte, war Torhüter Thomas Dähne aufmerksam vor Marcel Cornils am Streitobjekt (38.). Es waren nicht die ganz großen Szenen, aber doch Nadelstiche, die den haushohen Favoriten sichtbar ärgerten. Und die Kieler hatten in der Offensive auch weiterhin wenig zu bieten. Einen Schuss von Steven Skrzybski parierte SC-Torhüter Florian Kirschke sicher (35.), der dann noch mit Fußparade vor Holmbert Fridjonsson zur Stelle war (43.).

Mit Beginn der zweiten Halbzeit schienen die Gäste zielstrebiger zu werden. Holmbert Fridjonsson köpfte einen Eckstoß von Alexander Mühling knapp über den Kasten (50.), beim Kopfball von Phil Neumann nach Freistoß von Alexander Mühling war Florian Kirschke sicher zur Stelle (51.). Unser Schlussmann zeigte sich auch bei der nicht einfachen Kopfballrückgabe von Torge Paetow, der einen langen Ball verlängerte, aufmerksam (54.). Und der Flensburger Torhüter blieb Herr der Lage, so beim Pass von Fin Bartels mit dem Außenrist in den Torraum (59.) und beim Schuss von Steven Skrzybski auf das kurze Eck (70.), während der eingewechselte Fabian Reese einen Schuss nur knapp vorbei setzte (71.). Unserer Mannschaft gelangen kaum noch Entlastungen, ehe nach einem Fehlpass von Stefan Thesker in den Lauf von Christopher Kramer Weiche in Führung hätte gehen können. Unser Mittelstürmer wollte zu Jonas Walter auf halblinks passen, ein Kieler konnte im letzten Moment zum ersten Eckstoß für die Hausherren retten (74.). Nachdem aber Florian Kirschke den Schuss von Alexander Mühling sicher pariert (78.) und Steven Skrzybski den Ball über das Tor gejagt hatte (83.), war das 0:0 nach regulärer Spielzeit perfekt.

Nach den insgesamt nach Torraumszenen eher „übersichtlichen“ 90 Minuten sollte sich eine spektakuläre halbstündige Verlängerung anschließen. Erst setzte Fin Bartels einen Kopfball über den Kasten (92.). Wenig später ging der Favorit durch einen vom eingewechselten Jann-Fiete Arp verwandelten Strafstoß mit 1:0 in Führung (94.). Florian Meyer hatte zuvor die Eingabe von Phil Neumann beim Wegdrehen an die Hand bekommen (93.). Die Vorentscheidung drohte, als Jann-Fiete Arp einmal seine Schnelligkeit auf halblinks ausspielen konnte, doch er scheiterte im Abschluss an Florian Kirschke, der dem Schützen bereits entgegengekommen war (95.). Beim Freistoß von Mikkel Kirkeskov fehlten ein paar Zentimeter, auch wenn sich der Schuss bedrohlich senkte (100.).

Dann kam etwas überraschend Weiche: Jonas Walter zog eine Flanke im Konter mustergültig auf Christopher Kramer, der jedoch den Kopfball nicht kontrollieren konnte, sodass Kiels Schlussmann Thomas Dähne den Ball sicher aufnahm (101.). Aber Weiche blieb am Drücker und kam zum 1:1-Ausgleich. Den weiten Einwurf von Torge Paetow von der linken Seite verlängerte Jonah Gieseler, und am Fünfmeterraum bugsierte Patrick Herrmann die Kugel über die Linie (103.). Ausgerechnet die Neuverpflichtung, die in Kiel noch immer als Fußball-Gott gilt! Doch im Flensburger Jubel fiel die erneute Gästeführung auf der Gegenseite. Unsere Mannschaft konnte weder die Linksflanke von Fabian Reese verhindern, noch im Zentrum klären, Fin Bartels legte die Kugel auf Philipp Sander, der sie aus Nahdistanz versenkte (104.). Das musste nun eigentlich das Weiterkommen des Zweitligisten sein!

Denkste! Weiche mobilisierte alle Kräfte und wurde mit dem erneuten Ausgleich belohnt. Patrick Herrmann war nach schönem Diagonalball von Jonah Gieseler plötzlich auf halbrechts völlig blank und zog aus etwa 14 Metern satt ab; die Kugel schlug unhaltbar im oberen langen Eck zum vielumjubelten 2:2 ein (110.). Was für ein Tor! Jetzt wurde das Manfred-Werner-Stadion zu einem wahren Tollhaus, die Tribüne bebte. Jonah Gieseler hatte sogar die Chance zur Flensburger Führung, doch Thomas Dähne im Kieler Kasten parierte (115.). Und dann schlugen die Gäste eiskalt zu. Fabian Reese verschaffte sich 18 Meter vor dem Gehäuse, zentrale Position, Platz zum satten Torschuss, der Ball knutschte den Innenpfosten und prallte von dort zum 2:3 ins Netz (120.). In der Nachspielzeit lief Weiche in einen Konter, den Fin Bartels zum 2:4 vollendete (120.+2).

Aus unserer Mannschaft ragten Florian Kirschke und Patrick Herrmann heraus. Doch genauso Torge Paetow, Patrick Thomsen, Torben Rehfeldt und Dominic Hartmann zeigte sehr starke Leistungen. Jonah Gieseler überzeugte nach seiner Einwechslung im etwas ungewohnten halbrechten Mittelfeld und war zudem an beiden Flensburger Toren maßgeblich beteiligt. So kann man aus Weiche-Sicht insgesamt von einer tollen Mannschaftsleistung sprechen. Bei Holstein überzeugte vor allem der eingewechselte Fabian Reese, nicht nur, weil er den wichtigen Treffer zum 2:3 erzielte, sondern weil er mit seiner Dynamik dem bis dahin eher müden Kieler Angriffsspiel deutlich mehr Schwung verlieh. Daneben waren Abwehrchef Hauke Wahl und Steven Skrzybski mit den meisten Abschlussversuchen die auffälligsten Akteure.

Die Runde der letzten 32 Vereine wird erst am Sonntag, 5. September 2021, ab 18.30 Uhr (live in der ARD) ausgelost. Spieltermine sind der Dienstag, 26. Oktober, und Mittwoch, 27. Oktober 2021.

Am kommenden Wochenende startet die Regionalliga Nord. Dort ist unsere Mannschaft spielfrei. Sie wird deshalb aber nicht ohne Einsatz bleiben. Weiche tritt als Titelverteidiger in der ersten Runde des Landespokalwettbewerbs, im Achtelfinale, beim SV Grün-Weiß Siebenbäumen an. Die Partie beim Kreispokalsieger Herzogtum Lauenburg steigt am Sonntag, 15. August 2021, ab 14 Uhr in der „Siebenbäumen Arena“ an der B 208 bzw. „Auf der Hufe“. Gegen den Landesligisten wird Weiche in die Rolle von Holstein schlüpfen und favorisiert sein.

 

Weiche: Kirschke – Herrmann, Paetow (Kap.), Thomsen (V), Njie (106. Wulff) – Rehfeldt (110. Petersen) – K. Kurzbach (62. Gieseler), Schulz (71. Walter), Hartmann, Cornils (62. F. Meyer) – Kramer.

Holstein: Dähne – Neumann, Wahl (Kap.), Thesker (91. Lorenz), van den Bergh (V/67. Kirkeskov) – Erras (V), Mühling (V/88. Sander), Skrzybski – Bartels, Mees (67. Reese), Fridjonsson (59. Arp).

Tore: 0:1 Arp (94., Handstrafstoß), 1:1 Herrmann (103.), 1:2 Sander (104.), 2:2 Herrmann (110.), 2:3 Reese (120.), 2:4 Bartels (120.+2).

Zuschauer: 1.700 im ausverkauften Manfred-Werner-Stadion, Flensburg-Weiche.

Schiedsrichter: Frank Willenborg (Osnabrück), lag bei den spielentscheidenden Szenen richtig und kam mit einer gelben Karte für Thomsen (Foul an Mees, 51.) bzw. drei gelben Karten (van den Bergh nach Unsportlichkeit, 29.; Erras nach taktischem Foul an Hartmann, 80.; Mühling wegen Unsportlichkeit, 84.) über die Runden.

 

Stimmen:

Unser Trainer Thomas Seeliger erinnerte an den fehlenden Spielrhythmus, da man zuletzt am 1. November in der Regionalliga antrat und danach nur noch die drei Landespokal-Spiele hatte. „Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen, das Spielglück war diesmal nicht auf unserer Seite“, so der Fußballlehrer, der auch an die Konterchance über Christopher Kramer erinnerte (74.), mit der vielleicht sogar die Verlängerung hätte vermieden werden können, oder die Möglichkeit zum 3:2. „Es war Werbung für den Flensburger Fußball“, befand Thomas Seeliger, der ergänzte: „Wir hätten ein Elfmeterschießen verdient gehabt.“ Er sei stolz auf eine tolle Leistung, aber er fühle auch so eine Leere. Angesprochen auf Patrick Herrmann meinte Thomas Seeliger: „Wir haben einen Spieler mit viel Mentalität verpflichtet.“ Abschließend bilanzierte er: „Die Zuschauer, die da waren, haben einen Pokalfight gesehen, wie man ihn sich nur wünschen kann.“

Der Spieler des Spiels, Patrick Herrmann, meinte, dass er anfangs noch ein paar Probleme hatte, aber mit der Zeit sei es immer besser gegangen. Die Beine trügen sowieso immer weiter. „Die Mannschaftsleistung war überragend. Wir hätten ein Elfmeterschießen verdient gehabt.“ Für ihn selbst sei es ein Einstand nach Maß gewesen. Er verwies lieber auf die „Truppe“, wie er sie jetzt kennengelernt habe. Man jubelt ja eigentlich nicht, wenn man Tore gegen seinen Ex-Verein erzielt. Aber beim ersten Tor habe er einen Krampf gehabt, beim zweiten sei er so überrascht gewesen, dass der auch noch reinging.